Umfrageergebnis: Reality Check zur aktuellen Situation

Es kursieren gerade ganz unterschiedliche Aussagen zu Testmöglichkeiten für Sanitäter*innen, Erkrankungen in den eigenen Reihen, die Motivation von Haupt- und Ehrenamtlichen und die allgemeine Stimmungslage. Wir wollen in einem Reality-Check aus erster Hand wissen, wie die Dinge wirklich stehen.

 

40% der an Covid-19 erkrankten Sanitäter*innen haben sich möglicherweise im Rettungsdienst infiziert.

Unter den 363 Teilnehmer*innen der Umfrage geben 40 an, selbst Covid-19 positiv gewesen zu sein, wobei aus Kommentaren hervorgeht, dass speziell anfangs Verdachtsfälle oft nicht getestet wurden. 40% der erkrankten Sanitäter*innen haben sich möglicherweise im Rettungsdienst angesteckt. Erschreckend dabei ist, dass von diesen 16 Personen nur 6 bei der AUVA gemeldet wurden, obwohl der Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet ist, Verdachtsfälle einer Ansteckung im Zuge der Tätigkeit im Rettungsdienst zu melden.

 

Sanitäter*innen infizieren sich möglicherweise mehr als doppelt so häufig mit Covid-19 als die Normalbevölkerung.

Während in der Normalbevölkerung bis Jahresende 2020 rund 4% der Bevölkerung bestätigt an Covid-19 erkrankt waren, so lag der Wert bei den befragten Sanitäter*innen beinahe dreimal höher bei 11%.

Im Mittel kennt jede*r Befragte 4,6 weitere Personen aus dem Rettungsdienst, die Covid-19 hatten bzw. haben und sich möglicherweise im Dienst angesteckt haben.

 

 

53% der beruflichen Mitarbeiter*innen arbeiten derzeit mehr oder viel mehr als üblich. 

 

 

Als Gründe für eine deutlich höhere Arbeitsbelastung der beruflichen Sanitäter*innen werden in erster Linie Personalmangel und angeordnete Überstunden genannt, z.B. aufgrund von Quarantäne- oder Verdachtsfällen unter Kolleg*innen oder weil man selbst oder Rettungsdienstpersonal für die Stabsarbeit abgezogen wurden. Darüber hinaus rücken auch der Kameradschaftsgedanke und Loyalität in den Vordergrund, aber auch z.B. durch die Pandemie entstandene Aufstiegschancen. Zudem nehmen die geltenden Schutzmaßnahmen insgesamt mehr Zeit in Anspruch und es sind zusätzliche Aufgaben entstanden, nicht zuletzt aufgrund der Massentestungen.

Bemerkt wird zudem, dass sich die Situation seit dem ersten Lockdown im März / April stark gewandelt hat. Damals hatten ein insgesamt gesunkenes Fahraufkommen und der Einsatz zusätzlicher Zivildiener bzw. Freiwilliger, die aufgrund ihrer Arbeitssituation plötzlich mehr Zeit hatten, dazu geführt, dass die Stunden des beruflichen Personals mitunter deutlich reduziert wurden. Seit Herbst ist jedoch vielmehr ein deutlicher Personalmangel spürbar.

 

Knapp die Hälfte der Freiwilligen Sanitäter*innen arbeitet mehr oder viel mehr als üblich, im Gegenzug jedoch auch 22% weniger oder viel weniger. 

 

Die Beweggründe, warum sich Freiwillige derzeit mehr oder viel mehr im Rettungsdienst einbringen, sind vielfältig. Oft genannt werden Gründe, die mit einer veränderten Arbeitssituation (bzw. Studium) zusammenhängen (mehr Zeit durch Kurzarbeit, Homeoffice, etc.). Mehrfach genannt wurde der Rettungsdienst als willkommene Abwechslung im Lockdown, die Möglichkeit, hinaus zu kommen oder das Fehlen anderer Freizeitangebote. Vielen ist es auch ein Anliegen, das Gesundheitssystem unterstützen, sie werden öfter angefragt und haben das Gefühl, mehr gebraucht zu werden, oder sind bei Testungen und Drive-Ins eingebunden. 

Auch bei den 22% der freiwillig Engagierten, die derzeit weniger Zeit für den Rettungsdienst aufbringen, dominieren Gründe ihrer beruflichen Tätigkeit: bei manchen gilt ein Verbot des freiwilligen Engagements durch den Arbeitgeber, andere – spezielle jene, die beruflich im Gesundheitsbereich tätig sind – erfahren eine deutliche Mehrbelastung im Brotberuf. Oft genannt werden auch die Angst, sich selbst oder Angehörige anzustecken bzw. unzureichende Schutzkleidung und fehlende Möglichkeiten sich testen zu lassen, als Gründe genannt. Dazu kommen eine insgesamt fehlende Motivation bzw. ein allgemeiner Frust gegenüber der Rettungsorganisation.

 

48% der befragten Sanitäter*innen hatten noch nie die Möglichkeit, sich im Rahmen ihrer Tätigkeit im Rettungsdienst auf Covid-19 testen zu lassen.

Weniger als 2% der Befragten geben an, dass bei ihnen im Rettungsdienst ein Antigen-Schnelltest oder PCR-Test regelmäßig und verpflichtend durchgeführt wird. Freiwilligen Zugang zu Testungen (Antigen und PCR), entweder regelmäßig oder im Bedarfsfall, haben immerhin 42% der Umfragen-Teilnehmer*innen. Hier scheint österreichweit der PCR-Test als Goldstandard deutlich weiter verbreitet zu sein, als Antigen-Schnelltests. Für manche sind Tests zwar nicht im Rahmen des Rettungsdienstes vorgesehen, jedoch im Zusammenhang mit den Bevölkerungs-Massentestungen. 48% der Befragten hatten im Rahmen ihrer Tätigkeit im Rettungsdienst jedoch noch nie die Möglichkeit, sich auf Covid-19 testen zu lassen.

 

78,5% der Sanitäter*innen halten das Testangebot für Mitarbeiter*innen im Rettungsdienst für nicht ausreichend.

Nur 6,6% der Befragten geben an, dass ihrer Meinung nach das Testangebot für Mitarbeiter*innen im Rettungsdienst ausreichend ist. Demgegenüber stehen 78,5%, die die angebotenen Testmöglichkeiten für nicht ausreichend halten. Aus Kommentaren geht hervor, dass für sie dabei in erster Linie das Patient*innenwohl im Vordergrund steht. 

 

#

 

Fast die Hälfte der Umfragen-Teilnehmer*innen hat bei den Bevölkerungs-Massentests im Dezember mitgearbeitet. 

 

 

Davon hatten rund 28% Positionen in der Leitung bzw. Organisation inne, 77% haben auch selbst Tests abgenommen und 35% in der Testauswertung mitgearbeitet. Als Helfer*innen waren 13% im Einsatz.

 

Bei 8% der Befragten wurde das Honorar für den Einsatz bei den Massentests von den Rettungsorganisationen einbehalten.

Die Bezahlung dieses Einsatzes fiel dabei durchwegs unterschiedlich aus. Während 44% die in den meisten Bundesländern kolportierten 20 Euro pro Stunde erhielten, gingen 29% leer aus, u.a. weil in 8% der Fälle das Geld von der Organisation einbehalten wurde, für die sie im Rahmen der Massentestungen tätig waren.

Aus Einzelantworten geht hervor, dass viele das Geld noch nicht überwiesen bekommen haben und berufliche Mitarbeiter*innen und Zivildiener bzw. eingesetzte Soldat*innen keine Sonderzahlungen für ihre Arbeitsleistung bekommen haben. Da, wo bereits Geld geflossen ist, steigen die Wiener*innen mit 10 Euro pro Stunde am schlechtesten aus, Tiroler*innen und Kärntner*innen mit 45 Euro pro Stunde am besten.

 

43% der Sanitäter*innen haben Angst, sich im Dienst mit Covid-19 anzustecken.

Während mehr als die Hälfte der Befragten keine Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 im Rahmen des Rettungsdienstes hat, haben 5,2% eine sehr große und 37,5% eher Angst, sich im Zuge ihrer beruflichen bzw. freiwilligen Tätigkeit anzustecken.

 

 

Hier drängt sich natürlich die Frage auf, ob man den Mitarbeiter*innen durch geeignete Schulungsmaßnahmen und Schutzausrüstung zumindest großteils eine solche Angst nehmen könnte und weshalb dahingehend nur vereinzelt Initiative ergriffen wird; insbesondere dann, wenn man in Betracht zieht, dass sich 34% bzgl. einer Ansteckungsgefahr im Rettungsdienst unsicherer fühlen, als im privaten Kontext.

 

 

43% sind der Meinung, Sanitäter*innen sollen nicht impfen.

Die Frage nach der Kompetenz zum Impfen wird in den eigenen Reihen höchst ambivalent gesehen. Während über ein Viertel dem Impfen positiv gegenübersteht, lehnen 43% der Befragten das Impfen durch die Kolleg*innenschaft ab.

 

 

Aus den zahlreihen individuellen Antworten wird deutlich sichtbar, dass die Kompetenz zu Impfen stark an eine zugrundeliegende Ausbildung geknüpft wird. Hier überwiegt zudem die Meinung, dass man innerhalb der Sanitäter*innen zwischen Rettungssanitäter*innen und Notfallsanitäter*innen unterscheiden muss und hier noch einmal zwischen jenen mit und ohne die Notfallkompetenz Venenpunktion (NFS-NKV).

Ab der Ausbildungsstufe NFS-NKV befürworten viele die Freigabe der i.m. Impfung mit einer entsprechenden Schulung. Daraus ergibt sich jedoch die Frage, weshalb eine solche Kompetenz dann nicht ebenso als Regelkompetenz im SanG übernommen wird.

Zudem kommt der Unmut zum Ausdruck, dass in der Pandemie Sanitäter*innen kurzfristig für zahlreiche Aufgaben herangezogen werden und ohne entsprechend Ausbildung einspringen sollen, während die Forderungen nach einer Professionalisierung und Weiterentwicklung der Berufsgruppe allgemein hin zu einem Gesundheitsberuf auf politischer Ebene seit Jahren keinerlei Beachtung findet.

Wenngleich 43% dem Impfen durch Sanitäter*innen kritisch gegenüberstehen, würden andererseits 57% der Befragten eine angebotene Einschulung dazu absolvieren.

 

 

Dies verdeutlicht einmal mehr, dass ein Großteil der Sanitäter*innen grundsätzlich aufgeschlossen und interessiert an einer Weiterentwicklung und Wissens- bzw. Kompetenzerweiterung ist.

 

Über 80% der Sanitäter*innen stehen einer Impfung positiv gegenüber.

Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten werden sich sicher gegen Covid-19 impfen lassen und mehr als ein weiteres Viertel eher schon. Nur 4,4% der Befragten wollen sich keinesfalls impfen lassen, 5% eher nicht. 

 

 

Sanitäter*innen wollen nicht das Kanonenfutter der Pandemie sein.

Gefragt nach den Wünschen an die eigene Organisation auf der einen Seite und an die Öffentlichkeit bzw. politische Entscheidungsträger*innen auf der anderen, kommt das wahre Potenzial und auch der Anspruch dieser Tätigkeitsgruppe zum Vorschein. 

Sanitäter*innen verlangen nach mehr Wertschätzung, Testmöglichkeiten, Schulungsangeboten und einem Berufsbild mit einer Ausbildung nach internationalen Standards.

Denn neben dem Wunsch einer nach Kompetenzen angepassten und besseren Bezahlung wünschen sich die Mitarbeiter*innen von ihrer eigenen Rettungsorganisationen und der öffentlichen Hand vor allem mehr echte Wertschätzung und spürbare Anerkennung.

Sanitäter*innen wünschen sich auch, dass sich die Organisationen für sie stark machen, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen eingehen. 

Sie möchten regelmäßige frei verfügbare Covid-19 Testmöglichkeiten, ein in Summe viel besseres Schulungs- und Fortbildungsangebot, ausreichend qualitativ hochwertige Schutzausrüstung und PSA (persönliche Schutzausrüstung), Pool- oder Mietwäsche, bessere Arbeitsbedingungen, einen verbesserten Informationsfluss, eine offene Kommunikation und mehr Transparenz. Und es soll im regelrechten 24/7 Dienstbetrieb rund um die Uhr verfügbare Ansprechpartner*innen für akute Fragen bzw. Debriefing und Supervision gibt.

Daneben werden als Wünsche österreichweit einheitlich gültige Standards für den Rettungsdienst genannt sowie die Einführung von Qualitätssteigerungs- und -sicherungsprozessen.

 

Statistische Daten zu den Befragten:

Insgesamt nahmen 363 Personen an der Umfrage teil, die vom 18.-31.12.2020 online abrufbar war. 56% der Befragten sind freiwillig im Rettungsdienst engagiert, 35% beruflich, der Rest ist sowohl beruflich als auch freiwillig, im Zivildienst oder FSJ-Praktikantin.

 

 

56,7% der Befragten sind Rettungssanitäter*innen, 17,2% Notfallsanitäter*innen und 25,9% Notfallsanitäter*innen mit Zusatzkompetenzen. 

Die Rückmeldungen stammen aus allen 9 Bundesländern Österreichs, wobei Wien, Niederösterreich und Oberösterreich (in dieser Reihenfolge) mit gesamt 81,5% der Rückmeldungen am stärksten vertreten waren. 

Auch was die Rettungsorganisationen angeht, deckt die Umfrage ein sehr breites Spektrum ab. Erwartungsgemäß sind die meisten Teilnehmer*innen der Umfrage für das Rote Kreuz im Einsatz (69,3%), gefolgt vom Samariterbund (22%), Berufsrettung Wien MA70 (4,2%), Johanniter Unfallhilfe (3%) und Grünes Kreuz (2,1%). Darüber hinaus sind SMD, Bergrettung, Flugrettung, Bundesheer und andere vertreten.

 

Ein Berufsbild für Sanitäter*innen

Der BVRD.at setzt sich für eine grundlegenden Diskussion um die Einführung eines Berufsbildes der Sanitäter*innen als Gesundheitsberuf ein, das internationalen Standards entsprechend auf einer umfangreichen Grundausbildung basiert. Die Weiterentwicklung des Rettungsdienstes in Österreich nach transparenten und auf Forschung basierenden Qualitätsstandards ist dabei ein besonderes Anliegen. Gleichzeitig bekennt sich der BVRD.at zu einem von Freiwilligen gestützten und Notarzt-basierten Rettungssystem in Österreich.

Nähere Infos unter www.bvrd.at

 

>> als PDF herunterladen

Tags: